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1945 bis 1955

Die Klinik in der Nachkriegszeit

Zeitungsartikel aus der Düsseldorfer Zeitung Rhein-Echo vom 31. August 1946
Korrespondent des Machester Guardians berichtet 1946 über die "Irrenanstalt Grafenberg"
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Die Befreiung von der NS-Herrschaft bedeutete für die Patientinnen und Patienten noch nicht das Ende des Elends. Der Hunger setzte ihnen wie der gesamten Bevölkerung zu. Die Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg verfügte zwar über einen großen Gutshof mit Viehbestand und eine eigene Gärtnerei mit insgesamt 100 Morgen Land. Doch nur ein Teil der Felder konnte genutzt werden, da sie mit Bombentrichtern übersät waren und auch das Treibhaus der Gärtnerei zerstört worden war. Schlimmer noch waren die Felddiebstähle, die Nacht für Nacht verübt wurden. 1947 gelang es Dieben, sogar einen Ochsen vom Gutshof zu führen.

Heute mutet diese Tat vor allem kurios an. Damals hatte dieses Vergehen bittere Konsequenzen für die Kranken. Es entzog ihnen lebenswichtige Nahrungsmittel.

Im Gegensatz zu den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt war es ihnen nicht möglich, ihre knappen Rationen - zugeteilt waren 1.014 Kalorien - selbst auf dem Schwarzmarkt oder durch Hamstern aufzubessern.

Die verheerenden Folgen sah 1946 ein Korrespondent des "Manchester Guardian", als er mit britischen Offizieren die Anstalt besichtigte. In seinem Artikel, der von mehreren deutschen Zeitungen nachgedruckt wurde, berichtete er, dass von den 700 Patientinnen und Patienten der Anstalt im letzten Monat 20 bis 25 an Unterernährung gestorben seien. Die Mangelernährung habe zu Hungerödemen geführt. Der Journalist erhob den Vorwurf, dass durch ein bürokratisches Vorgehen die Psychiatriepatienten keine allgemeine Krankenhauszulage erhielten. Dieser Vorwurf löste einen Skandal aus. Das Wirtschaftsamt überprüfte die Zustände und kam zu dem Schluss kam, dass die Lebensmittel missbräuchlich verwendet wurden. Daraufhin nahm auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Dies führte zur Beurlaubung von Sioli und Weinbrenner, dem stellvertretenden Leiter der Anstalt. Sioli wehrte sich gegen die erhobenen Vorwürfe. Er zeigte dem Sozialministerium einige Fehler der Untersuchung auf, zum Beispiel bei der Berechnung der Kalorien. Letztlich stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, rechtskräftige Beweise waren nicht zu finden. Obgleich Sioli damit rehabilitiert war, kehrte er de facto nicht in seine Funktion als Direktor zurück, sondern ging im Juli 1947 in Pension.

Für die Kranken hatten Zeitungsbericht wie Untersuchung positive Folgen. Das britische Hauptquartier bewilligte den Grafenberger Patientinnen und Patienten die Krankenhauszulage. Jetzt standen ihnen 1.850 Kalorien zu. Wer mehr als 20 Prozent Untergewicht aufwies, erhielt zudem eine „Ödemzulage". Bis 1949 entspannte sich die Ernährungssituation und erreichte wieder das Vorkriegsniveau. Die Kranken nahmen zu und die Anstaltsdirektoren werteten den Ernährungszustand als befriedigend.

Wohnungsnot und Wiederaufbau

Der Krieg hatte auch bei den Gebäuden seine Spuren hinterlassen. Das Verwaltungsgebäude war ebenso wie die Kapelle und das Lebensmittelmagazin völlig zerstört worden. Durch den Luftdruck der Bomben waren alle Gebäude in Mitleidenschaft gezogen worden und wiesen Risse auf. Die Dächer waren teilweise abgedeckt, Wege und Straßen aufgerissen. 1947 begann der Wiederaufbau.

Mit den Gebäudeschäden einher ging die Wohnungsnot. Die Anstalt stand in der Pflicht, ihre Angestellten und deren Familien unterzubringen. "Enger Zusammenrücken" hieß das Motto, das auch für die Patientinnen und Patienten galt. Da nicht genügend Wohnraum vorhanden war, wurden Angestellte mit ihren Angehörigen noch bis 1955 in Krankenräumen untergebracht.

Die "Fremd"belegung der Anstalt beschränkte sich nicht auf das Klinikpersonal. Das während des Krieges gegründete Hilfskrankenhaus wurde erst im September 1949 aufgelöst. Daneben hatten Behörden wie das Sozialministerium, die Landesversicherungsanstalt und das Rote Kreuz in Grafenberg Quartier bezogen und blieben längere Zeit Gäste der Anstalt. Als letztes verließ das Rote Kreuz mit seinem Suchdienst im Dezember 1950 das Anstaltsgelände.

Die Entnazifizierungsverfahren

Die Menschen waren mit dem Wiederaufbau beschäftigt und vermieden den Blick zurück. Die "Entnazifizierungsverfahren" zwangen zumindest die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, ihre Vergangenheit offen zu legen. Auf der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 hatten die Alliierten als gemeinsames Ziel festgelegt:

"Alle Mitglieder der nazistischen Partei, welche mehr als nominell an ihrer Tätigkeit teilgenommen haben und alle anderen Personen, die den alliierten Zielen feindlich gegenüberstehen, sind aus öffentlichen und halböffentlichen Ämtern und von den verantwortlichen Posten in wichtigen Privatunternehmen zu entfernen."

Doch schon vor der Verständigung in Potsdam hatten die Besatzungsbehörden in der britischen Zone erste Erfassungsmaßnahmen in Gang gesetzt. Am 31. August hatte die Militärregierung 50 Grafenberger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum 7. September aus dem Dienst entlassen wollen. Der plötzliche Verlust dieser Mitarbeiter hätte allerdings den Betrieb der Anstalt gefährdet. Um dies zu verhindern, setzte sich die Anstaltsleitung für die Beschuldigten ein und erreichte einen Aufschub bis zum 30. Oktober 1946. Damit wurde bewirkt, dass die neu zu gründenden, mit Deutschen besetzten Entnazifizierungsausschüsse über ihr Schicksal zu befinden hatten. Gegenüber der ursprünglichen Entlassungsliste der Militärregierung fiel das Urteil der deutschen Entnazifizierungsausschüsse milde und nachsichtig aus. Letztlich verloren nur vier Personen aufgrund ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit ihre Stellung: Ein Oberarzt, ein Pfleger, ein Handwerker und ein Verwaltungsbeamter.

Zeitungsartikel aus der Rheinischen Post vom 13. November 1948
Prozessbericht "Vier Wochen Euthanasieprozess-Staatsanwaltschaft beantragt Zuchthausstrafen für alle Angeklagten"
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Euthanasieprozesse in Düsseldorf

In den Düsseldorfer Euthanasieprozessen waren wegen der Beteiligung an der Tötung von Geisteskranken der ehemalige Landesrat Prof. Creutz, der Bonner Direktor der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Prof. Pohlisch, der ehemalige Leiter der Rheinischen Provinzial-Instituts für neurologisch-psychiatrische Erbforschung Prof. Panse (er wird 1955 die Leitung der Anstalt Grafenberg übernehmen), die Ärzte Dr. Weissenfeld und Dr. Rhode, die bis zu ihrem Wechsel an die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen im Jahre 1938 in Grafenberg beschäftigt waren, angeklagt. Insgesamt 105 Zeugen und Sachverständige wurden gehört, bevor das Gericht am 24. November 1948 das Urteil verkündete. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Tatbestand der Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei Creutz, Pohlisch, Panse, Weissenfeld und Rhode erfüllt sei. Die Angeklagten könnten sich jedoch auf einen übergesetzlichen Notstand berufen, der ihre Handlungsweise rechtfertigte. Die Angeklagten hatten sich nach Meinung des Gerichts deshalb keines Verbrechens schuldig gemacht und wurden freigesprochen. Damit war das Gericht der Argumentation der Angeklagten gefolgt: Sie hätten sich der Beteiligung am Selektionsprozess nicht verweigert, um Schlimmeres zu verhindern. Es sei gelungen, einzelne Patientinnen und Patienten zu retten.

Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Freisprüche Revision ein, doch das Schwurgericht Düsseldorf bestätigte am 27. Januar 1950 die Freisprüche. Bis heute sind die Freisprüche umstritten. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen, die Pohlisch und Panse betreffen, da beide nachweislich als Gutachter in die T-4-Aktion involviert waren.

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